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Bleibt gesund, liebe Freunde!

Die Chinesin Zhuyun Chen, Absolventin des dualen Studiengangs Weinbau und Oenologie (Abschlussjahrgang 2014), ist dem hochschulzugehörigen Weincampus in Neustadt und der Region nach wie vor sehr verbunden. Die aus Fujian, der rheinland-pfälzischen Partnerregion an der chinesischen Ostküste, stammende Zhuyun Chen ist mittlerweile in Shanghai tätig und betreibt eine Vinothek inklusive Deutschweinimport. Derzeit fungiert sie zudem als Beraterin für deutschen Weingüter in der Coronakrise und hat ebenso zeitnah wie unkompliziert den Import dringend benötigter Mundschutzmasken aus China in die Pfalz organisiert. Katja Klohr vom Weincampus Neustadt sprach mit Zhuyun Chen über die vorsichtige Rückkehr des Alltags in China, die besonderen Herausforderungen des Weinhandels in der Krise und grenzüberschreitende Freundschaft in Zeiten des Social Distancing.

 

1. Wie sieht Ihr derzeitiger Alltag aus?

In einem der beliebtesten Cafés in Taicang, das als Heimat der deutschen Unternehmen in China gilt, schreibe ich elektronisch an liebe Freunde in Deutschland.

Es ist in der Tat wunderschön, dass wir wieder in öffentlichen Räumlichkeiten Aktivitäten unternehmen dürfen. Die Stimmung ist allgemein im Alltag auch sehr locker. Seit Mitte März treffen wir uns mit Freunden wieder zum Sport oder zum Essen. Die meisten Hotels nehmen auch wieder Gäste auf. Ich persönlich war letzter Woche einen Tag auf Dienstreise und musste an der Rezeption schon wegen der vielen Gäste in der Schlange stehen. Auch eine Bekannte aus Italien, die vor einem Monat in China eingereist ist, hat schon den ersten Urlaub auf einer Insel in Südchina problemlos hinter sich gebracht.

 

2. Ist Ihr Weinimport wieder angelaufen und welche Herausforderungen gibt es?

Der Einfluss der Pandemie ist im alltäglichen Arbeits-und Lebensablauf schon noch zu merken. Ich habe das Glück, dass ich vor dem Frühlingsfest die Spedition für einen Container Wein nach China organisiert gehabt habe. Der Importprozess wurde gar nicht beeinflusst. Aber der Firmeneinkauf für Firmenbankette ist fast auf Null gesunken. Momentan trauen wir uns auch noch nicht, offline Weinevents anzubieten und Teilnehmer gruppenweise einzuladen. Mein kleines Team hat die letzte Zeit genutzt, einen Online-Shop aufzubauen und Posts zu veröffentlichen. Unser Ziel ist dabei, ein generelles Interesse an Wein zu wecken, auch bei Leuten, die bisher keine Weintrinker sind, und eine Genusskulter im Alltag zu etablieren. Ehrlich gesagt sind wir aber im Bezug auf Online-Werbung und -Verkauf im Vergleich zu andern Verkäufern sehr hinterher. Dank der Digitalisierung sind auch Live-Shows über Plattformen wie Tik-Tok, Zoom etc. möglich, für die mich meine Kollegin schon x-Mal begeistern wollte. Dazu fühle ich mich aber nicht bereit.

 

3. Welche Weine werden am stärksten nachgefragt?

Das liegt sehr an den Zielgruppen und an meiner Empfehlung. Ein großer Teil meiner Kunden sind junge „Wein-Anfänger“. Für sie habe ich ein Anfängerpaket mit Extrahalsetiketten zusammengestellt. Wein mit halbtrockenem oder lieblichem Geschmack kommt bei dieser Zielgruppe schon sehr gut an. Die wenigen richtigen Weinliebhaber bevorzugen schon eher trockenen, körpervollen Wein. Rotwein ist schon aus kulturellen Gründen im Vergleich zu Weißwein leichter zu empfehlen.

 

4. Gibt es in China konkrete Maßnahmen, die Sie besonders positiv oder negativ bewerten?

Ehrlich gesagt habe ich mich nicht intensiv mit dem Thema beschäftigt, als sich das Corona-Virus in China ausgebreitet hat und ich für sechs Wochen unter Quarantäne war. Meiner Meinung nach habe ich daher auch kein Recht, die Maßnahmen zu beurteilen. Den Erfahrungen in meiner Heimatstadt nach, hat das strenge Einhalten der Quarantäneregeln viel geholfen, da die meisten Infizierten früher oder später doch Symptome gezeigt haben. Es vereinfachte die Isolierungsarbeit. Die Maßnahmen wurden durch digitale Prozesse stark unterstützt. Als ich Ende Februar zur Arbeit nach Shanghai zurückkam, musste ich per APP viele Informationen angeben: Wie ich zum Flughafen kam, wer neben mir saß, wo mein Endziel war etc.. Ziel war es, Infektionsketten möglichst schnell und effektiv, aufzuspüren und Betroffene möglichst schnell zu kontaktieren.

 

Ich bin auch meinem Vermieter, German Centre Taicang, dankbar, der eine Ermäßigung der Miete angeboten hat, obwohl das Büro im privaten Besitz ist. Die Regierung hat vorbildhaft zuerst die Miete der Räumlichkeiten in staatlichem Besitz für zwei bis drei Monate ausgesetzt. Private Vermieter wurden aufgefordert, dem Beispiel zu folgen. Viele kleine Läden wird damit ihr finanzieller Stress ein bisschen erleichtert. Unpraktische politische Maßnahmen gab es aber auch: Es herrschte tagelang Chaos vor vielen Auffahrten der Autobahn oder an Stadt- und Gemeindegrenzen, da Ausfahrt- oder Einreiseverbot spontan, ohne Vorlaufzeit, bekannt gemacht wurden. Schlimm waren auch verallgemeinernde Regelungen, die zunächst für viel Chaos bei den Betroffenen sorgten und erst später optimiert wurden: Z. B. durften Personen ohne Familienangehörige in einer bestimmten Stadt nicht in diese einreisen, auch wenn sie dort leben und arbeiten. Ich habe z.B. selbst meine Zugtickets dreimal umgebucht und schließlich doch gecancelt und gewartet, bis es klare Vorschriften gab. Nicht alle hatten die Freiheit, sich zu entscheiden, freiwillig länger unter Quarantäne zu bleiben.

 

5. Hat sich ihre Sichtweise auf die Weinwelt und den Vertrieb durch Corona verändert?

Der Online-Vertrieb ist sicher nach dem Austausch mit anderen Importeuren und laut Medienberichten eine gute Alternative. Online-Weinproben und Online-Weinseminar boomen, und viele präsentieren sich mit kreativen Ideen auf Online-Plattformen. Ich bin aber der Meinung, dass der persönliche Offline-Kontakt nicht durch Online-Events ersetzt wird. Sozialer Kontaktbedarf wird nach der Pandemie eher verstärkt. Und Wein als Kulturgut ist immer ein gutes „Schmiermittel“ für soziale Aktivitäten. Mit meinen Geschäftspartnern sind wir gerade dabei, eine kleine Café- & Weinbar in der Stadt aufzumachen. Das ist eine günstige Gelegenheit für uns, Events wie Weinproben, Seminare etc. im eigenen Lokal zu organisieren.

 

6. Ich habe gehört, Sie werden kreativ und unterstützen Winzer mit Mundschutzpaketen aus China? Haben Sie noch weitere Hilfspaketanfragen?

Es ist keine kreative Idee von mir, Maske zu schicken. Viele Chinesen schicken Masken zu ihrer Verwandtschaft, zu Freunden und Kollegen im Ausland. Ich habe viele ältere Freunden in Deutschland und mache mir Sorge, wenn ich die Nachrichten in der Tagesschau sehe oder lese. Ich weiß, wie es vor paar Wochen in China mit der Knappheit der Masken war. Dank dieser Freunde hatte ich eine sehr gute Zeit in Deutschland und gerade von den älteren habe ich viel Unterstützung bekommen. Das mindeste, was ich jetzt anbieten kann, ist, ihnen ein paar Masken zu schicken.

 

7. Welchen Tipp haben Sie für uns in Deutschland, um schnell wieder in den Alltag zu finden?

Ich glaube, auf diese Frage würden alle gerne die richtige Antwort wissen und sind sehr gespannt darauf. Das Corona-Virus ist jetzt eine globale Krise geworden. In China hat der Alltag wieder vorsichtig begonnen, aber doch mit Befürchtung und Angst. Dass jeder versucht, die eigene Verantwortung gut zu tragen und verantwortlich zu handeln, ist meiner Meinung nach das Beste. Jede momentane Einschränkung bedeutet einen Schritt näher hin zur Normalität des Alltags. Eigentlich kann man die Arbeit im Homeoffice mit gewissenhafter Disziplin auch sehr produktiv nutzen, sogar die freie Zeit besser genießen. Ja, ich hatte auch ab und zu Langweile oder war betrübt, aber dann habe ich kurz an Freunde, Bekannte oder Fremde gedacht, die jetzt in Krankenhäusern arbeiten oder die Versorgung sichern, und sagte ich zu mir: „Wie glücklich ich bin. Ich kann zu Hause bleiben und meine Zeit nach meinen Wunsch einsetzen.“

 

Ich drücke die Daumen für Deutschland und hoffe, dass wir bald eine globale Lösung finden. Bleibt gesund, liebe Freunde!

 

Interview: Katja Klohr