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„Das Warten auf die Rückholung der Bundesregierung war zermürbend.“

Lotte Iglhaut, Studierende des dualen Studiengangs Weinbau und Oenologie (6. Semester), am Weincampus in Neustadt, verbrachte ihr Auslandssemester in Neuseeland. Sie arbeitet die letzten Wochen bei Johner Estate Winery in Masterton und wurde von der Bundesregierung zurückgeholt. Anfangs eine Zeit mit neuen Aufgaben und das Schnuppern der Luft am anderen Ende der Welt. Doch durch Corona kam alles anders als gedacht. Wie sie den Lockdown in Neuseeland erlebte, berichtet Sie uns in ihrem Interview.

1. Wo befindest du dich momentan und wie hast du die letzten 3-4 Wochen erlebt?

Bis gestern war ich noch in Neuseeland. In der ersten Zeit hat man von der Corona-Krise vor Allem durch die Nachrichten und die Gespräche mit den Freunden zuhause mitbekommen. Da war das Ganze in Neuseeland noch gefühlt sehr weit weg. Neuseeland war mit der Entwicklung gefühlt vier Wochen hinter dem Rest der Welt. Und dann hat sich die Situation ziemlich schnell gedreht. Von unserem Rückflug wurde der erste Teil nach Australien gecancelt, viele Airlines flogen Frankfurt nicht mehr an und dann folgte eine Nachricht aufs Handy, dass die Neuseeländische Regierung den „Lockdown“ anordnet. Die Nachricht lautet quasi, dass man dort, wo man die folgende Nacht verbringt, die nächsten vier Wochen zu verbringen hat. Plötzlich weiß man nicht mal mehr, ob man noch arbeiten darf, denn nur wer zum „Essential Business“ gehört, darf überhaupt noch arbeiten. Ausschließlich Lebensmittelgeschäfte haben geöffnet, gemeinsam einkaufen darf man nicht mehr. Wenn man unterwegs ist, wird man eventuell von der Polizei angehalten und muss begründen und bescheinigen können, warum man wohin unterwegs ist. Anscheinend haben die Neuseeländer aus den Situationen in den anderen Ländern gelernt und sich vorgenommen, es nicht so weit kommen zu lassen.

2. Wie sieht dein Alltag aktuell aus? Wartest du auf Rückholung?

Wir waren mit anderen Deutschen auf dem Weingut und haben uns gemeinsam für die Rückholaktion angemeldet. Jeden Tag wurden die E-Mails und Instagram mehrfach nach neuen Meldungen durchsucht. Das Warten auf die Rückholung war zermürbend. Einerseits will man wirklich nicht weg. Den Arbeitgeber mitten im Herbst sitzen zu lassen, war das Letzte, was wir tun wollten. Auf der anderen Seite will man Sicherheit und hätte einfach gerne einen Flugtermin. Nach den ersten zwei Flügen wurde die Rückholaktion wieder gestoppt, um noch dringend nötige organisatorische Dinge, auch mit der neuseeländischen Regierung, abzuklären. Das hat uns noch etwas Zeit gegeben. Man ist sehr hin und her gerissen. Man will die letzten Tage bestmöglich genießen, aber die Unsicherheit verursacht ein konstant flaues Gefühl im Magen. Die neuen Auflagen für die Arbeit sind erstmal anstrengend. In der Mitarbeiterküche müssen alle Teller, Gläser und Utensilien nach Personen getrennt werden, falls eine Kontrolle auf das Weingut kommt. Die Mehrbettzimmer werden umgeräumt und ich bin in die, jetzt sowieso geschlossene Vinothek umgezogen. Ein anderer Praktikant musste im Flaschenlager zwischen Weinpaletten Quartier beziehen.

3. Kannst du deine Studienleistung erbringen wie erwartet?

Das Erbringen der Studienleistung ist im Großen und Ganzen kein Problem. Für unser Marketing-Praxisprojekt hätten wir zwar gerne noch mehr Zeit in der geöffneten Vinothek verbracht, hatten hierfür jedoch zum Glück am Anfang sehr viel Gelegenheit. Auch für meine Ausbildungszeit brauchte ich zum Glück nur noch zwei Monate.

4. Gibt es in deinem aktuellen Aufenthaltsland konkrete Maßnahmen, die du besonders positiv oder negativ bewertest?

Am Anfang kam einem der komplette Lockdown, bei sehr wenigen Krankheitsfällen, etwas extrem vor. Im Nachhinein hat Neuseeland aus den Fehlern der anderen Länder gelernt und gleich durchgegriffen. Zeitgleich mit dem Lockdown wurden Hilfspakete für kleine Unternehmen beschlossen und im Endeffekt half das frühe Durchgreifen, dass so eventuell umso früher wieder zum Normalzustand zurückgekehrt werden kann.

5. Inwiefern hat sich deine Sichtweise durch Corona verändert

Unsere Unterkunft im Weingut war sehr spartanisch, es hat sich etwas angefühlt, wie wochenlang auf dem Campingplatz. Wenn man jedoch erfährt, wie es manchen Backpackern ging, die während des Lockdowns in Hostel-Mehrbettzimmern festsitzen, nicht wegkönnen, selbst wenn ein Zimmernachbar krank wird und denen langsam das Geld ausgeht, kommt man nicht auf die Idee, sich zu beschweren, dass man für die Dusche über den Hof laufen muss. Plötzlich hat man gemerkt, wie gut man es hat, mit sicherer Unterkunft, der Möglichkeit einkaufen zu gehen und noch arbeiten gehen zu können.

6. Als duale Studierende steht ihr bereits mitten im Berufsleben. Welche Auswirkungen hat die Corona-Krise konkret auf deinen Kooperationsbetrieb?

Mein Kooperationsbetrieb in Neuseeland hat durch die Krise und unsere Heimreise erstmal die Hälfte seiner Mitarbeiter verloren. Glücklicherweise hat sich das Rückholprogramm so verzögert, dass wir den größten Teil der Lese noch beenden konnten, bevor wir geflogen sind. Ein weiterer großer Faktor ist natürlich, dass der Umsatz einbricht. Die Gastronomie fällt gerade als Kunde komplett weg, viele Leute können nicht arbeiten gehen und haben Verdienstausfälle, da steht auch im Supermarkt der Wein erstmal ganz unten auf der Einkaufsliste.

Mein Kooperationsbetrieb in Deutschland baut gerade den Keller um. Hier besteht zusätzlich zur schwierigen Umsatzsituation die Sorge, dass der Bau aufgehalten wird und der neue Keller nicht rechtzeitig zum nächsten Herbst fertig wird.