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Hand schneidet Trauben an Rebstock

Prof. Dr. Lena Keller erhält Förderung von der Carl-Zeiss-Stiftung

Für die Erforschung antibakterieller und pilzhemmender Naturstoffe von und für Weinreben (Vitis vinifera) erhält Lena Keller, Professorin für Oenologie und Prozesstechnik am Weincampus Neustadt, eine Förderung der Carl-Zeiss-Stiftung.

Im Interview: Prof. Lena Keller

Sie sind von Haus aus Pharmazeutin und damit auf dem Gebiet der Weinerzeugung Quereinsteigerin. Was hat Sie dazu bewogen an eine wissenschaftliche Einrichtung für Weinbau und Oenologie zu gehen?

Ich komme aus der pharmazeutischen Forschung und zwar im Speziellen aus der Naturstoffforschung. Wein ist ein Naturprodukt, in dem ganz viele Naturstoffe enthalten sind. Es ist davon auszugehen, dass diese teilweise eine pharmazeutische Wirkung haben, denn auch Aroma- und Geschmacksstoffe unterscheiden sich in ihrer Wirkungsweise kaum von Arzneistoffen - bei beiden handelt es sich meist um kleine Moleküle, die an gewisse Zielstrukturen in unserem Körper binden und so eine Wirkung auslösen. Der analytische Ansatz zur Untersuchung dieser Moleküle ist ebenfalls sehr ähnlich. Beide Forschungsbereiche weisen also viele Parallelen auf, welche mich letztendlich gereizt haben, in diese sehr anwendungsorientierte Richtung zu gehen und die Methoden aus der Naturstoffforschung auf die extrem komplexe Materie Wein zu übertragen. Ein schöner Nebeneffekt ist, dass ich mit dem Forschungsgegenstand Wein auch mein persönliches Interesse verbinden kann.

Ihr Projekt ist für zwei Jahre bewilligt. Haben Sie schon Ihre Forschungsgruppe beisammen?

Nein, meine Forschungsgruppe befindet sich gerade im Aufbau. Bisher konnte ich einen Doktoranden für die Forschungsgruppe gewinnen. Darüber hinaus beinhaltet die Förderung der Carl-Zeiss-Stiftung eine Postdoc-Stelle, deren Besetzungsprozess noch läuft. Es haben sich dafür bereits einige vielversprechende internationale Kandidatinnen und Kandidaten beworben. Längerfristig ist mein Ziel, dass die Forschungsgruppe weiter wächst und wir gemeinsam an vielen spannenden Themen arbeiten können.

Ziel des Projekts ist die Identifizierung und Charakterisierung neuer antimikrobieller Naturstoffe aus Weinnebenerzeugnissen. Dabei interessiert vor allem der potenzielle Einsatz für die Entwicklung neuer Arzneistoffe. Wird Ihr neues Forschungsfeld der Forschung am Weincampus im Allgemeinen und der Weinforschung im Speziellen ganz neue Facetten geben?

Ja, ich denke schon, gerade weil der gesamte sensorische Eindruck, den der Wein hinterlässt, auf Chemie und Wirkung einzelner Bestandteile beruht. Es ist zwar bereits relativ viel über einzelne Geschmacks- und Geruchsstoffe bekannt, aber deren komplexes Zusammenspiel in ihrer Gesamtheit zu erfassen ist noch immer extrem schwierig. Man spricht dabei von „Metabolomics“. Dieser Forschungsansatz hat in den letzten Jahren, insbesondere in den Biowissenschaften, zunehmend an Bedeutung gewonnen. Somit möchte ich neben der Naturstoffforschung mein Augenmerk auch auf die Weiterentwicklung der Analytik von Most- und Weininhaltsstoffen legen. Darüber hinaus erhoffe ich mir eine Anknüpfung an die Biotechnologie sowie an die pharmazeutische Forschung.

Auf welche Weinnebenerzeugnisse werden Sie sich fokussieren?

Das ist bisher noch nicht genau bestimmt. Trester wäre eine Möglichkeit. In Frage kommen aber auch Pflanzenbestandteile wie Holz und Blätter, die beim Rebschnitt anfallen. In unserem Projekt geht es vor allem um antimikrobielle Stoffe, die gegen Bakterien und Pilze wirken. Hier ist bisher noch nicht viel geforscht worden – weder in Hinblick auf die Wirkungsweisen noch hinsichtlich der Bestimmung und Isolation ausschlaggebender Substanzen. Im Forschungsprojekt werden vorrangig Materialien von nachhaltigen pilzwiderstandsfähigen Rebsorten (Piwi-Rebsorten) Verwendung finden, um die Wahrscheinlichkeit eventueller Pestizidrückstände in oder auf der Pflanze möglichst auszuschließen. Das ist für das Projekt eine Grundvoraussetzung, da wir gezielt nach pilzhemmenden Substanzen suchen und Pestizidrückstände die Tests beeinflussen würden. Außerdem unterstützen wir mit der Verwendung nachhaltiger Rebsorten das Ziel des Green Deals der EU, das u. a. eine Reduzierung des Pestizideinsatzes in der Landwirtschaft und damit auch im Weinbau anstrebt.

Traubenkernen werden mit ihren OPCs (Oligomere Proanthocyanidine) gesundheitsfördernde Wirkung nachgesagt. Werden auch sie Teil IhrerBetrachtung sein?

Ja. Traubenkerne sind ebenfalls ein Tresterbestandteil. Ihnen wurden bereits vielfältige Wirkungen nachgewiesen und es existiert eine Reihe von Studien zu ihrem antioxidativen Potenzial. Aber bisher fehlen auch hier spezielle Untersuchungen in antimikrobieller Richtung. Der bisher am besten untersuchte Traubeninhaltsstoff und wahres Multitalent ist Resveratrol. Als Inhaltsstoff des Rotweins ist er auf seine gesundheitlichen Effekte hin gut untersucht und zeigt in Studien auch antibakterielle und antifungale Wirkung – jedoch sind solche Stoffe für die Arzneistoffentwicklung eher weniger geeignet, da ihnen die spezifische Wirkung fehlt.

In wie weit hat Ihre Forschung Praxisrelevanz für Ihre Lehre am Weincampus?

Besonders wichtig sind die gewonnenen chemischen und analytischen Aspekte. Ich verspreche mir einen großen Mehrwert vor allem für den Bereich der instrumentellen Weinanalytik, die Bestandteil der theoretischen und praktischen Ausbildung am Weincampus ist.

Könnten angesichts dieser bedeutenden weißen Flecken auf der Forschungslandkarte zwei Jahre Projektförderung nicht ein bisschen knapp werden?

Die Idee der Carl-Zeiss-Stiftung bei dieser Förderung für neu berufene Professorinnen und Professoren ist, den Begünstigten nicht nur ein gutes Forschungsprojekt zu ermöglichen, sondern ihnen auch den Forschungsstart zu erleichtert und darin zu unterstützen, ihr Forschungsthema für die Zukunft zu stärken. Für den Forschungsstandort Deutschland erhofft man sich so eine optimale Nutzung der in der Wirtschaft gewonnenen Forschungsexpertise für eine Weiterführung an den Hochschulen. In den zwei Jahren Projektlaufzeit wird folglich die Basis weiterer Forschung gelegt und die gewonnen Ergebnisse Ausgangspunkt weiterer Förderbeantragung sein. Dennoch erhoffen wir uns natürlich auch schon jetzt verwertbare Ergebnisse zu produzieren.

Die Natur birgt viele pharmazeutische Schätze: Der Ursprung des Nervengifts Botox liegt im Bakterium Clostridium botulinum und hat seine Entdeckung einem deutschen Mediziner zu verdanken, der die hochgiftigen Bakterien auf verdorbenem Fleisch bemerkt hat. Weidenrindenextrakt war die Grundlage für das bis heute erfolgreichste Arzneimittel Aspirin. Dürfen wir auch mit einer ähnlich bahnbrechenden Entdeckung bei den anstehenden Forschungen rechnen?

Die Naturstoffforschung und insbesondere die pharmazeutischen Forschung gleicht ein bisschen einem Lottospiel. Aus etwa 10.000 Substanzen, die in der Arzneimittelforschung untersucht werden, wird im Durchschnitt ein Medikament entstehen. Ob uns ein solcher Glücksgriff gelingt, wird sich in 10-20 Jahren zeigen. Aber je mehr und je intensiver man Forschung betreibt, desto höher ist dafür die Wahrscheinlichkeit. Es heißt nicht, dass nur Substanzen von Bedeutung sind, aus denen am Ende tatsächlich Medikamente entstehen. Es wird immer neues Wissen für die pharmazeutische Forschung generiert. Substanzen finden vielleicht anderweitig Anwendung, wie beispielsweise in der Diagnostik. Für die Naturstoffforschung ist wichtig, den chemischen Raum, den wir kennen, zu erweitern und für die pharmazeutische Forschung zu nutzen. Und dazu werden wir in diesem Projekt beitragen können.