Newsdetail

SWR Interview mit Prof. Ulrich Fischer: Wie wird der Pfälzer Wein in diesem Jahr?

Nach einem wechselhaften Sommer wird mit Spannung der diesjährige Pfälzer Wein erwartet. Der Jahrgang könnte interessant werden, meint Prof. Ulrich Fischer und erklärt, warum ausgerechnet der Klimawandel den Rotwein noch besser macht.

 

SWR Aktuell: Heute startet die Hauptweinlese in der Pfalz. Was ist Ihre Prognose: Wie wird denn der Weinjahrgang 2021?

Prof. Ulrich Fischer: Der Jahrgang 2021 ist wirklich eine Herausforderung für die Winzer in der Pfalz! Wir haben in diesem Jahr gelernt, dass Klimawandel mehr bedeutet als heiß und trocken, es bedeutet auch nass und kühl. Von daher sind die Trauben in ihrer Reife deutlich verzögert, im Vergleich zu den warmen Jahren, an die wir uns schon gewöhnt haben.

SWR Aktuell: Was heißt das für die Winzer, welche Herausforderung gibt es?

Fischer: Die Herausforderung besteht darin, dass die Weinberge differieren: Es gibt welche, die sind gut vorangeschritten, und es gibt andere, die hängen in der Reife noch hinterher. Außerdem sind durch die nasse Witterung dieses Sommers auch einige Schädlinge unterwegs, wie zum Beispiel die Kirschessigfliege. Für die Winzer heißt das: Sie müssen ihre Weinberge genau beobachten und selektiv lesen. Entweder gehen sie vor der Vollernter-Ernte durch die Weinberge und schneiden befallene Trauben ab oder bei der Handlese sind die Leser angewiesen, genau hinzuschauen.

SWR Aktuell: Der Sommer war ja durchwachsen und sehr nass – wie bekommt das denn den Weintrauben?

Fischer: Der Sommer war gar nicht so schlecht, denn er war wärmer, als wir gefühlt haben. Und die Reben von Riesling, Weißburgunder und auch Spätburgunder sind ja an die kühle Witterung gewöhnt. Das heißt, die funktionieren besser bei 20 bis 25 Grad als bei 35 Grad. So gesehen war der Jahrgang vom Wetter her gar nicht so schlecht. Es war immer Wasser da, so dass die Reben weiterwachsen konnten. Und rückblickend betrachtet sind die großen Jahrgänge immer die, die eine lange Vegetationsperiode haben, sprich in denen wir spät die Trauben ernten.

SWR Aktuell: Was unterscheidet denn diese großen und besonderen Weinjahrgänge von den anderen?

Fischer: Je länger die Vegetationsperiode, desto mehr Aromastoffe und Säure können gebildet werden, die ja einen frischen, fruchtigen, auch deutschen Weinstil unterstützen. Da sehen wir auch Chancen für diesen Jahrgang – auch wenn in unserem Gefühl der Sommer verregnet war. Und deswegen bietet dieser Jahrgang Chancen, etwas frischere, etwas leichtere Weißweine, super Rosé-Weine zu machen, aber auch tolle Sektgrundweine. Also: Wir haben gute Startbedingungen für einen interessanten Weinjahrgang.

SWR Aktuell: In den Tagen vor dem Start der Ernte hats ja noch geregnet. Ist das kritisch für die Trauben?

Fischer: Der Regen ist gar nicht so kritisch, weil zum Beispiel hier in Neustadt oder in Deidesheim auf den etwas sandigeren Böden liegen wir unter dem normalen Regenfall pro Jahr, insbesondere der August war sehr trocken. Wir haben insgesamt weniger Regen bekommen. Und die 15, zum Teil auch 30 Liter, die jetzt gefallen sind, sind für die Reben gar nicht schlecht. Das ist jetzt keine Katastrophe. Es ist gut, dass es jetzt durch die Kaltfront auch wieder kühler wird. Wenn im Herbst Regen fällt, dann sollte es kühl sein, denn die Schimmelpilze wachsen in der Kälte nicht. Aber wenn es warm und nass ist, dann haben sie gute Bedingungen.

SWR Aktuell: Was heißt das für Öko-Winzer?

Fischer: Für die ökologischen Winzer war es sicherlich eine besondere Herausforderung. Denn das Wasser hat nicht nur dazu geführt, dass die Pilz-Schädlinge sehr gute Wachstumsbedingungen hatten, sondern die Reben sind auch schnell gewachsen. Die ökologischen Winzer arbeiten mit Mitteln wie Kupfer und Schwefel, die man aufbringt, die aber von der Pflanze nicht aufgenommen werden. Die konventionellen Winzer arbeiten mit Mitteln, die zum Teil von der Pflanze aufgenommen werden und dadurch schon eine Art Schutz für den wachsenden Trieb mitliefern. Deswegen war es für die ökologisch arbeitenden Winzer eine besondere Herausforderung: Man musste früh genug mit dem Pflanzenschutz beginnen und dann dranbleiben. Insgesamt haben die Winzer im ökologischen Pflanzenschutz in den letzten Jahren enorm dazugelernt. Mit dem Wissen von vor 20 Jahren wäre alles viel schwieriger gewesen.

SWR Aktuell: Hitzeperioden, Trockenheit und Regen – der Klimawandel hat auch Auswirkungen auf den Weinbau. Wie zeigt sich das?

Fischer: Wir merken es folgendermaßen: Wir machen seit über 50 Jahren sogenannte Reifemessungen. Wir schauen, wann fängt die Rebe an, auszutreiben, zu blühen, in die Reife zu gehen? Das sind ganz definierte Punkte, die man sofort an der Rebe erkennen kann. Und wenn wir uns das über die letzten 30, 40 Jahre anschauen, dann sind wir heute mit der Reife rund drei bis vier Wochen früher dran, als das in den 1970er-Jahren der Fall war. Da braucht man gar nichts zu diskutieren! Das kann man sehr sauber und wissenschaftlich signifikant belegen. Das hat dazu geführt, dass die Trauben etwas reifer geworden sind und dass dadurch auch die deutschen Rotweine konkurrenzfähiger geworden sind mit den südländischen Produkten. So gesehen könnte heute Spätburgunder aber zunehmend auch Merlot oder Syrah wirklich mit Weinen aus dem südlichen oder mittleren Frankreich und Norditalien gut mithalten. Ich möchte nicht sagen, wir sind jetzt die Gewinner des Klimawandels. Aber ich bin Wissenschaftler und wir beobachten die Dinge.

SWR Aktuell: Was sind die unerwünschten Konsequenzen?

Fischer: Gleichzeitig kommen neue, wärmeliebende Schädlinge. Das sind Pilze, die sich insbesondere im Stamm der Rebe ausbreiten. Spaziergänger in den Weinbergen sehen immer wieder mal Stöcke, die komplett zusammengebrochen sind, die ganz verdorrte Blätter und Trauben zeigen. Das ist eine Folge dieser Esca-Krankheit. Und wir habe Insekten wie die Kirschessigfliege. Die sieht aus wie die normale Fruchtfliege, die wir kennen. Aber sie hat eine besondere Eigenschaft: Sie kann die Beerenhaut durchstechen, legt Eier hinein und die Larven wachsen und öffnen die Traubenschale für Schädlinge. Die Bakterien und Hefen haben nun Zugang zur Traube und wandeln Zucker in Alkohol und Essigsäure. Diese ist sensorisch unerwünscht, weil wir wollen Wein und keinen Essig erzeugen! Die Kirschessigfliege ist auch ein Grund, warum jetzt vermehrt rote Rebsorten früh geerntet werden, um keinen Rotwein, aber einen leckeren Rosé-Wein daraus zu machen.

SWR Aktuell: Erfordert denn der Klimawandel ganz neue, resistente Sorten?

Fischer: Es gibt zwei Gründe für neue Rebsorten: Zum einen, wenn es wärmer wird, dann werden unsere frühen Sorten einfach zu früh reif, verlieren zu früh ihre Säure und damit auch ihren Charakter. Der zweite Grund für neue Sorten ist, dass die Gesellschaft, die Politik und die EU von der Landwirtschaft fordern, weniger Pflanzenschutzmittel einzusetzen. Das betrifft Öko-Winzer und konventionelle Winzer. Daher gibt es den neuen Trend zur Anpflanzung pilzwiderstandsfähiger Rebsorten. Das sind europäische Sorten wie Chardonnay, Weißburgunder oder Muskateller, durch die man - mit ganz normaler Kreuzungszüchtung – die Resistenzgene von amerikanischen Wildreben gegen diese Krankheiten einkreuzt. Die Folge ist, dass man diese Rebsorten nur noch ein Drittel so häufig spritzen muss und vielleicht in 20 Jahren gar keine Spritzung mehr benötigt, was sowohl für die Umwelt, die Winzer als die Verbraucher einen Fortschritt darstellt. Die Sorten bieten viele Chance um in Zukunft flächendeckend umweltschonender arbeiten zu können

SWR Aktuell: Welchen Wein trinken Sie am liebsten?

Fischer: Oh, das ist eine schwierige Frage! (lacht). Ich liebe die Vielfalt, dass ich unterschiedliche Weintypen hier in der Pfalz, aber auch in ganz Deutschland trinken kann. Das macht mir Spaß! Die häufigste Rebsorte aber, die bei uns ins Glas kommt, ist schon der Riesling. Auch mal Weine die acht, neun oder zehn Jahre alt sind. Das ist schon ein ganz, ganz großer Genuss, gereifte Rieslinge zu trinken!

SWR-Aktuell: Sie sind wahrscheinlich kein Fan der typischen Pfälzer Riesling-Schorle?

Fischer: Da liegen Sie richtig! Ich bin an der Mosel aufgewachsen mit leichteren, restsüßlichen Rieslingen. Und ich muss sagen: Wenn ich Durst habe, dann trinke ich Mineralwasser und wenn ich Spaß an Weinen und Genuss haben will, dann trinke ich Wein. Aber verdünnt!? Dafür haben wir uns zu viel Mühe gegeben, die Weine so ausgewogen und harmonisch und ausbalanciert zu machen. Sie dann mit Wasser zu verdünnen ist nicht mein Ding! Da bin ich noch kein echter Pfälzer geworden, dass ich dem Schorle so huldige, wie das die Einheimischen tun!

 

Unter diesem Link finden Sie noch einmal das gesamte Interview mit Prof. Ulrich Fischer auf SWR aktuell Rheinland-Pfalz:

www.swr.de/swraktuell/rheinland-pfalz/ludwigshafen/weinjahrgang-2021-pfalz-experte-interview-100.html