Weincampus-Alumnus Michael Meusert als Jungwinzer des Jahres 2025 ausgezeichnet
Herzlichen Glückwunsch zur Auszeichnung DLG-Jungwinzer des Jahres 2025! Was bedeutet dir diese Auszeichnung?
Danke für die Glückwünsche! Als junger Betriebsnachfolger bin ich mir nicht immer sicher, ob die Entscheidungen, die ich so treffe, die richtigen sind. Offiziell bestätigt zu bekommen, das man einen guten Weg geht, das gibt mir viel Selbstsicherheit.
Die Auszeichnung will natürlich genutzt werden. Das bedeutet gerade einen recht hohen Kommunikationsaufwand. Was die Auszeichnung für den Betrieb bedeutet, fange ich Stand jetzt erst an zu begreifen. Wir werden ganz anders wahrgenommen und es öffnen sich einige Türen bedeutend leichter als sie das vorher getan haben. Ich bin da sehr gespannt was noch auf mich zukommen wird.
Wie sah das Bewerbungsverfahren aus?
Das Bewerbungsverfahren ist dreistufig: Zunächst meldet man sich für den Online-Test an – 20 Minuten Zeit für viele Fragen. Das ist sehr vergleichbar mit einer Klausur am Weincampus. Die besten 15 Bewerber dürfen anschließend drei Weine einsenden, die nach dem DLG-Verkostungsschema bewertet werden. Die zehn besten Bewerber werden dann eingeladen, sich vor der Jury zu präsentieren. Diese Finalrunde ist dreiteilig: Zuerst stellt man sich und den eigenen Betrieb vor. Bei mir war vermutlich entscheidend, dass ich neben der positiven betrieblichen Entwicklung auch den örtlichen Weinbauverein wiederbelebt habe und gemeinsam mit vielen Helfern aus unserem Heimatort zahlreiche Veranstaltungen auf die Beine gestellt habe.
Anschließend folgt eine Blindverkostung, bei der man zeigen kann, was man aus Ulrich Fischers Vorlesungen zu Sensorik und Weinansprache mitgenommen hat. Zum Abschluss stellt die Jury noch einige Fragen.
Du hast 2022 dein Studium am Weincampus abgeschlossen. Wenn du jetzt zurückblickst, welche Inhalte helfen dir besonders in deiner Berufspraxis?
Es gibt ehrlich gesagt wenig, was nicht hilft. Und einiges, bei dem ich im Nachhinein lieber etwas besser aufgepasst hätte. Die Themen, die mich besonders interessiert haben, habe ich auch im Betrieb zu meinen Schwerpunkten gemacht: Önologie und Kommunikation bzw. Vertrieb. Diese Inhalte helfen mir heute enorm. In Zukunft werden auch Controllingaufgaben und neue Konzepte für den Weintourismus eine größere Rolle spielen. Da profitiere ich sehr vom breiten Fundament, das das Studium gelegt hat.
Die Mitarbeit an einer 50 Hektar großen Bewässerungsanlage in deinem Heimatort ist sicherlich ein Großprojekt. Wie wird denn der Bewässerungsbedarf der Rebe gemessen und wurde das im Studium durchgeführt?
Wenn man kein Morgenmuffel ist, dann kann man das frühmorgendliche Wasserpotential mit der Scholander-Bombe messen. Vereinfacht gesagt misst man, wie stark die Rebe das Wasser aus dem Boden saugen muss. Ab einem gewissen Schwellenwert gemessen in Megapascal, sollte man je nach den Ansprüchen an Quantität und Qualität angemessen bewässern.
Ein paar Kommilitonen mit geringem Schlafbedarf haben ein Praxisprojekt zum Thema gemacht. Das wurde dann gegen Ende des Semesters vorgestellt. Das war immer eine schöne Gelegenheit um aus den Erfahrungen seiner Studienkollegen zu lernen.
Wie lässt sich deine Bachelorthesis „Vergleich von Ionenaustauscher und Weinsäure zur pH-Absenkung in Chardonnay und Gewürztraminer Most“ in ein paar Sätzen zusammenfassen? Wie kam es zu dem Thema?
Das Thema war ein Vorschlag von Patrick Nikolaus. Da mich schon immer interessiert hat, wie man im Wein mit möglichst wenigen Zusätzen arbeiten kann, habe ich das Thema gerne angenommen. Ein glücklicher Zufall war, dass mein Praktikumsbetrieb in Südtirol gerade im Entscheidungsprozess war, ob der geliehene Ionenaustauscher sinnvoll ist. Das hat perfekt gepasst.
Die Quintessenz meiner Arbeit ist: Eine Behandlung mit dem Ionenaustauscher (IAT) ergibt Sinn, wenn der Most oder Wein einen hohen pH-Wert und gleichzeitig hohe Säurewerte hat. Eine klassische Säuerung würde den Wein in diesem Fall zu sauer werden lassen, während die pH-Wert-Absenkung mit dem IAT den sauren Geschmack deutlich weniger verstärkt, den Wein aber mikrobiologisch stabilisiert.
Du bist mittlerweile Geschäftsführer im eigenem Familienweingut (Weingut Meusert in Fahr am Main). Stand für dich schon immer fest, den Betrieb eines Tages zu übernehmen? Wie geht man durchs Studium, wenn man diese Perspektive von Anfang an in Aussicht hat?
Eigentlich wollte ich bis 17 oder 18 alles machen. Bloß nicht Winzer. Das lag daran, dass ich nicht wirklich verstanden habe, was und vor allem warum mein Vater im Weinberg und Keller so vieles tut. Aus einer Laune heraus habe ich dann den Tag der offenen Tür am Weincampus besucht und sehr angetan. Die Kombination aus Naturwissenschaften und dem familiären Aufbau des Studiums hat mich überzeugt. Meine Fragen nach dem „Warum“ wurden sehr gut beantwortet.
Mit meinem ersten eigenen Wein kam dann auch sehr schnell die Faszination für den Werkstoff Wein.
Mein Weg durch studium war immer von der Betriebsübernahme geprägt. Ich habe mich stark auf die Themen konzentriert, bei denen ich in unserem Betrieb den größten Bedarf gesehen habe. Das hat oft geholfen, mich durch weniger geliebte Module zu retten. Dadurch sind aber auch ein paar Wissenslücken entstanden, die ich mir jetzt selbst aneignen darf. Ich kann also nur jedem raten, in allen Modulen gut aufzupassen. Das hat alles seinen Sinn. Auch wenn ich jetzt ein bisschen alt klinge (la cht).
Im Weingut arbeitet ihr sowohl mit Piwis, erstellt alkoholfreie Weine und entwickelt euer Sortiment stetig weiter. Wie entscheidest du als Geschäftsführer, welche alten Traditionen aufrechterhalten sollen und wann neue unternehmerische Wege sinnvoll sind?
Der Kern unseres Betriebs ist abseits von einer ordentlichen Weinqualität schon immer eine sehr enge und teils freundschaftliche Bindung zu unseren Kunden. Dieser Grundsatz ist für mich das Einzige, was niemals verändert werden soll. Wir haben das sogar im Rahmen unseres Rebrandings in den Mittelpunkt gestellt „Zu Gast bei Freunden“ ist seit 2024 unser offizielles Betriebsmotto.
Bei allen anderen Themen stelle ich mir Fragen: wie entwickeln sich Gesellschaft und Politik, was macht die Wirtschaft? Was sind also Dinge, die ich nicht signifikant beeinflussen kann. Beispielsweise werden wir als Winzer die Entwicklung hin zu einem Lebensstil mit weniger Alkoholkonsum nicht aufhalten können. Daher möchte ich frühzeitig Erfahrung mit alkoholfreien Weinen sammeln, um das alles in 10 Jahren, wenn die Verfahren noch deutlich bessere Endprodukte ermöglichen, nicht nachholen zu müssen.
Dann spielen natürlich persönliche Vorlieben eine große Rolle: Die Interaktion mit unseren Gästen, die Organisation von Events und Weinwanderungen machen mir unglaublich viel Freude. Die Arbeit im Keller und das Experimentieren in der Vinifikation machen mir auch sehr viel Spaß, so entwickelt sich die Weinqualität und unser Sortiment stetig weiter. Ums Kurz zu fassen: Wenn etwas langfristig Sinn macht und zu meinen Stärken passt, wird es umgesetzt.
Welchen Tipp würdest du deinem „früheren Ich“ im 1. Semester mitgeben?
Ich war mit 19 schon ein ziemlich schwieriger Typ. Also bräuchte es wohl gleich mehrere Tipps. Erstens: Sei nicht so engstirnig. WG-Leben und Studium funktionieren deutlich besser mit ohne viel Ego dafür mit Kompromissbereitschaft. Zweitens: Verbring mehr Zeit mit deinen Kommilitoninnen und Kommilitonen. Arbeiten wirst du später noch genug. Drittens: Hör besonders dort gut zu, wo du dich schwertust. Das, was dich interessiert, kommt eh von allein zu dir.
Michael Meusert hat den Dualen Bachelorstudiengang Weinbau und Oenologie am Weincampus studiert und 2022 seinen Abschluss gemacht.
(Titelfoto: Flanear Agentur)